Die Kultusministerkonferenz (KMK) der Länder hat im Dezember 2016 in dem einflussreichen Strategiepapier „Bildung in der digitalen Welt“ die breitbandige Anbindung von Schulen als Ziel formuliert. Bundesweit betrachtet (Stand Ende 2021) ist aber bisher nur ein kleiner Teil der Schulen in den Genuß einer solchen schnellen Anbindung an das Internet gekommen.
Angenommen, deine Schule wäre bereits an das Breitbandnetz deiner Stadt angeschlossen ... Jetzt habt ihr schnelles Internet und Daten können ohne Beschränkung in die Schule hinein- und hinaus „fließen“. Umfangreiche Webseiten und -anwendungen lassen sich ohne Verzögerungen aufrufen und auch große Datenmengen, wie sie z. B. beim Streamen von Filmen und bei vielen gleichzeitigen Videokonferenzen anfallen, sind nun kein Problem mehr. Also alles nur größer, schöner, schneller, besser - oder gibt es auch qualitative Veränderungen der Lern- und Lehrkultur?
In diesem Lernbaustein hast du die Möglichkeit, die Chancen und Folgen von Breitband-Konnektivität im Kontext der Digitalisierung für den Bildungsbereich zu durchdenken. Welche neuen Möglichkeiten ergeben sich für das Lernen? Was ändert sich an deinen Lern- und Arbeitsprozessen? Was kann sich ändern an der Art und Weise, wie deine Lehrer dich unterrichten?
Symbolbild: Eine Bildungseinrichtung wird an das Glasfasernetz angeschlosssen.
Unter Digitalisierung versteht man vereinfacht, dass beliebige Daten (Texte, Bilder, Bewegtbilder wie Videos und Animationen, Töne etc.) in Form von Nullen und Einsen – also in binärer – Form vorliegen, gespeichert und transportiert werden. Wenn Daten binär vorliegen, können sie auch sehr schnell über ein Breitbandnetz verteilt werden. Im Zentrum der schnellen Datenströme steht immer die Datenverarbeitung durch irgendeine Form eines Computers. Das können große graue Kästen in Rechenzentren aber auch Notebooks, Tablets, Smartphones, Uhren oder winzige Chips in vernetzten Geräten sein.
Der Schweizer Informatik-Didaktiker Beat Döbeli Honegger hat die Zusammenhänge rund um die Digitalisierung und Datenverarbeitung durch Computer beschrieben und in schematischen Grafiken veranschaulicht.
Er erklärt die gewaltige Macht der Computertechnologie und der Digitalisierung mit drei Grundfunktionen.
„So lassen sich dank der Digitalisierung erstens massiv mehr Daten erfassen und unabhängig davon, ob es sich um Bilder, Töne oder Texte handelt, auf den gleichen Datenträgern speichern. Die in standardisierter Form vorliegenden Daten lassen sich zweitens automatisiert, das heißt mit Algorithmen verarbeiten. Und drittens lassen sich alle digitalen Daten sehr einfach und rasch übermitteln und verbreiten, weil für alle Datenarten das gleiche Netzwerk verwendet werden kann.“
Aus: Was machen wir mit der Digitalisierung? Beat Döbeli Honegger. Erschienen 2021 in Pädagogik (ISSN 0933-422X), Ausgabe 5, Jahr 2021, Seite 41 – 46
Diese Grundfunktionen der Computertechnologie ermöglichen nach Honegger die allgemeinen Anwendungsbereiche Multimedia, Interaktivität und Interaktion zwischen Menschen (also auch Kommunikation).
Technologische Entwicklungen lassen sich nicht von gesellschaftlichen Entwicklungen trennen, sie entwickeln sich in gegenseitiger Abhängigkeit. Davon ist Schule als Teil des Bildungssystems in der Gesellschaft natürlich auch betroffen. Es gibt technologische Entwicklungen, wie z. B. den Buchdruck oder die Industrialisierung, die für einen Epochenwandel verantwortlich gemacht werden, da sie einen besonders großen Einfluss auf die Gesellschaft gehabt haben. Einen solchen Einfluss schreibt man auch der Digitalisierung zu, da sie nahezu alle Bereiche der Gesellschaft betrifft.
Honegger fasst mögliche gesellschaftliche Konsequenzen und Herausforderungen der Digitalisierung in folgendem Schaubild zusammen:
Tipp: Die einzelnen Begriffe und ihre Bedeutung kannst du z. B. in Beats Biblionetz https://beat.doebe.li/bibliothek/index.html nachschlagen.
Eine wesentliche Voraussetzung, um die Chancen der Digitalisierung nutzen zu können und den Herausforderungen zu begegnen, ist die Medienkompetenz der Nutzerinnen und Nutzer. Medienkompetenz bezeichnet die Fähigkeit, Medien und ihre Inhalte den eigenen Zielen und Bedürfnissen entsprechend sachkundig zu nutzen, ansatzweise zu verstehen und ihre Bedeutung für Kultur und Gesellschaft einschätzen zu können. Medienkompetenzen helfen dabei, sich immer wieder auf die neuen Anforderungen der rasanten technologischen Entwicklung einzustellen.
Das Schema auf der Arbeitsfläche wird als Dagstuhl-Dreieck bezeichnet. Diese Darstellung wurde im Februar 2016 im Rahmen einer Erklärung von Expert:innen aus der Informatik und ihrer Didaktik, der Medienpädagogik, der Wirtschaft und der Schulpraxis verfasst.
Jede Gesellschaft – heute und früher – hatte ein Medium, über das hauptsächlich Informationen erzeugt, gespeichert und ausgetauscht wurden. Man spricht in einem solchen Fall von einem Leitmedium. In den letzten zwei Jahrhunderten waren Buch, Zeitung, Radio und TV die wichtigsten Leitmedien, um sich über politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche, kulturelle Verhältnisse und Veränderungen zu informieren und zu verständigen. Es scheint sich ganz deutlich abzuzeichnen, dass der Computer in allen seinen Erscheinungsformen (Smartphone, Tablets, Notebooks, Set-Top-Boxen, smarte Fernseher, Smart-Home-Geräte, etc.) das Leitmedium des 21. Jahrhunderts sein wird.
Die Schule als ein Teil des Bildungssystems steht eher noch am Anfang dieser Entwicklung. Zwar sind – auch bedingt durch die COVID-19-Pandemie – vermehrt digitale Endgeräte, meistens Tablets, Notebooks und Desktop-Rechner in den meisten Schulen angekommen, doch fehlen häufig noch die Breitbandanschlüsse, die die notwendige schnelle Verbindung zum Internet ermöglichen. Oft sind Schulen mit mehreren tausend Nutzer*innen nicht besser angebunden als private Haushalte mit wenigen Nutzern. Perspektivisch werden die Schulen über Breitband-Verbindungen ans Internet angeschlossen werden müssen.
Während du in deinem privaten Umfeld Informationen wahrscheinlich hauptsächlich aus digitalen Quellen beziehst und auch digital kommunizierst, ist in den Schulen das Leitmedium Buch noch ziemlich präsent. Das hängt zu einem damit zusammen, dass in Deutschland Schulbücher in den einzelnen Bundesländern genehmigt werden müssen und das es noch keine gleichwertigen erprobten Genehmigungsverfahren für digitale Lernmedien gibt. Über Konzepte, wie digitale Schulbücher gestaltet werden und ob Schulbücher überhaupt im Zentrum von Lehr-/Lernaktivitäten stehen sollten, wird noch lebhaft diskutiert. Es ist jedoch interessant, die Grundfunktionen des Computers, also Digitalisierung, Automatisierung und Vernetzung einmal auf klassische Schulbücher anzuwenden.
Hinweis:
Die Grafiken von Beat Döbeli Honegger aus diesem Lernbaustein kannst du dir kostenlos im Form eines
Posters
herunterladen: http://mehrals0und1.ch/Digital/Poster