Europäischer Energie-Binnenmarkt

Die Europäische Union (EU) ist ein Zusammenschluss von derzeit 27 Staaten, die gemeinsam ihre Interessen innerhalb der Weltgemeinschaft besser vertreten können. Sie basiert auf demokratischen Grundwerten, die in der Grundrechte-Charta der Europäischen Union dargestellt sind. Die Achtung der Menschenwürde, die Freiheit, die pluralistische Demokratie, die Toleranz, die Gleichheit und Nichtdiskriminierung, Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit sowie die Wahrung der Menschenrechte einschließlich des Minderheitenschutzes bilden das Fundament der Europäischen Union.

Diese Grundprinzipien unterscheiden die EU von anderen Zusammenschlüssen. Es bedeutet aber auch, dass die Staaten zum Erreichen der gemeinsamen Ziele nationale Souveränität abgeben und auf europäischer Ebene gemeinsam ausüben. Damit limitiert sich für jeden Mitgliedstaat die Möglichkeit, Angelegenheiten alleine zu entscheiden. Aber es erhöht sich auch die Möglichkeit, auf andere Einfluss zu nehmen und zu gemeinsamen Entscheidungen zu kommen, die dann auch für alle verbindlich sind.

Die Europäische Union kann unmittelbar Gesetze (so genannte Verordnungen) beschließen oder gesetzliche Vorgaben (so genannte Richtlinien) machen, die die- Staaten dann in nationales Recht umsetzen müssen. Nur so ist es möglich, Europa zu einem gemeinsamen Lebens- und Handlungsraum zu entwickeln. Ganz oben auf der Agenda der Europäischen Union steht eine gemeinsame klimaschonende, nachhaltige und wirtschaftlich konkurrenzfähige Energiepolitik. Die Handlungsschwerpunkte der europäischen Energiepolitik sind im energiepolitischen Zieldreieck zusammengefasst:

Wirtschaftlichkeit

Die EU setzt sich für einen offenen, wettbewerbsorientierten Energie-Binnenmarkt ein. Durch die Öffnung der Energiemärkte für den Wettbewerb sollten die Energiekosten gesenkt sowie die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie auf den Weltmärkten gestärkt werden. Für den Verbraucher ergeben sich Kostenersparnisse. Als ein erster Schritt in diese Richtung wurde im Dezember 1996 eine Richtlinie zur Vollendung des Elektrizitätsbinnenmarkts verabschiedet. Diese Richtlinie sieht vor, einen echten Wettbewerb zwischen den Elektrizitätserzeugern zuzulassen und den Verbrauchern die freie Wahl des Energielieferanten zu ermöglichen. Großbritannien, Deutschland, Schweden und Finnland haben ihre Elektrizitätsmärkte inzwischen vollkommen liberalisiert.

Ein weiterer Schritt zur Öffnung des Binnenmarktes für Energie wurde mit der Richtlinie zur Liberalisierung des Erdgasmarktes vollzogen. Die Richtlinie trat im August 1998 in Kraft. 2003 traten neue EU-Richtlinien zur Beschleunigung des Binnenmarktes für Strom und Gas in Kraft. Sie verlangten für sämtliche Mitgliedsländer die Errichtung nationaler Regulierungsbehörden. Die Strom- und Gasmärkte waren bis spätestens 1. Juli 2007 vollständig zu liberalisieren. Industriekunden sollten ihren Versorger schon ab dem 1. Juli 2004 frei wählen können. Außerdem galten nun verschärfte Vorschriften für die Trennung von Netz und sonstigen Aktivitäten.

Mitte 2009 folgte das so genannte dritte Energiebinnenmarktpaket, um die Schaffung des europäischen Energiebinnenmarktes weiter voranzutreiben. Neben gas- und stromspezifischen Themen beinhaltet das dritte Binnenmarktpaket umfangreiche Regelungen zum Verbraucherschutz, zur Entflechtung, zur Versorgungsqualität und Versorgungssicherheit sowie zu den Aufgaben der nationalen Regulierungsbehörden und der neu zu gründenden Agentur für die Zusammenarbeit der europäischen Energieregulierungsbehörde (ACER).

Umweltschutz

„Hin zu einer europäischen Strategie für Energieversorgungssicherheit“ sind eine Reihe von Handlungsschwerpunkten genannt, die darauf abzielen, Klimaveränderungen entgegenzuwirken. Ein Grünbuch ist ein Diskussionspapier, das den aktuellen Stand einer Debatte zusammenfasst und die öffentliche Diskussion zum Thema anregen soll. Angesprochen sind vor allem interessierte Einzelpersonen und Experten sowie Fachverbände.

Sowohl die EU als auch Deutschland haben sich ambitionierte Klimaschutzziele gesetzt: Bis 2050 sollen die jährlichen Treibhausgas (THG)-Emissionen im Vergleich zu 1990 um 80 bis 95 Prozent sinken. Zwischenziele bestehen für 2020 und 2030. Die Ziele sind im Lichte der Ergebnisse der Klimakonferenz in Paris zu betrachten. Die Weltgemeinschaft einigte sich dort Ende 2015 auf das Ziel einer treibhausgasneutralen Weltwirtschaft zwischen 2050 und 2100.

Versorgungssicherheit

Je mehr Kraftwerke an einer Stromversorgung beteiligt sind, desto sicherer ist sie. Für die Stromunternehmen ist es allerdings unwirtschaftlich, viele kostenintensive Anlagen zu bauen und diese dann nur für den Notfall als Reserve vorzuhalten.

Auf Anregung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa gründeten Vertreter der Elektrizitätswirtschaft aus acht europäischen Ländern 1951 deshalb die „Union für die Koordinierung der Erzeugung und des Transportes elektrischer Energie“ (UCPTE), die am 1. Juli 2009 in „European Network of Transmission System Operators for Electricity“ (Entso-E) umbenannt wurde. Der Verbund hat heute 34 Mitglieder. Er hat das Ziel, den internationalen Stromaustausch zu erleichtern und zu fördern.

Wie leistungsfähig der europäische Verbund ist, verdeutlicht die für Notfälle zur Verfügung stehende Sekundenreserve: Plötzliche Leistungsabfälle bis zu 3 000 MW können durch die Gesamtheit der Versorgungsnetze aufgefangen werden.

Energiemarkt in Deutschland

Als Folge der EU-Richtlinie von 1996 erhielt das Erste Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts 1998 seine Gültigkeit, wodurch der Energiemarkt in Deutschland weitgehend liberalisiert wurde. Am 13. Juli 2005 trat das Zweite Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts in Kraft. Es veränderte die Verhältnisse auf dem deutschen Energiemarkt so tiefgreifend wie keine andere Maßnahme seit der Liberalisierung. In Artikel 1 enthält es das neue Gesetz zur Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz – EnWG), in Artikel 2 das Gesetz zur Bundesnetzagentur (s.u.). Ferner traten vier Verordnungen in Kraft, die ergänzend zum neuen Energiewirtschaftsgesetz den Netzzugang und die Netzentgelte für Strom und Gas im Detail regeln.

Die Bundesnetzagentur

Die Bundesnetzagentur ist eine obere deutsche Regulierungsbehörde, mit Verwaltungssitz in Bonn. Der offizielle Name ist Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen. Hauptaufgabe ist die Aufrechterhaltung und die Förderung des Wettbewerbs in sogenannten Netzmärkten. Dabei überwacht sie den diskriminierungsfreien Zugang zu den Energienetzen und kontrolliert indirekt die Höhe der Netzentgelte bei Unternehmen mit mehr als 100.000 Kunden.

Im Juli 2011 wurden mit dem Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz (NABEG) wichtige gesetzliche Grundlagen für das Voranschreiten der Energiewende geschaffen, die vor allem den Ausbau der Übertragungsnetze von Nord nach Süd notwendig macht. In ihm wird die BNetzA gemeinsam mit den vier deutschen Übertragungsnetzbetreibern verpflichtet, einen Netzentwicklungsplan (NEP) zum Ausbau des deutschen Übertragungsnetzes vorzulegen.

Vom Netzentwicklungsplan zum Bundesbedarfsplan

Der NEP stellt die Situation der deutschen Strominfrastruktur in zehn Jahren dar und enthält konkrete Empfehlungen für den Aus- und Neubau der nationalen Stromtransportnetze. Die BNetzA kennzeichnet in dem jährlichen NEP der Übertragungsnetzbetreiber die bundesländerübergreifenden und die grenzüberschreitenden Höchstspannungsleitungen. Maßnahmen mit höchster technischer und zeitlicher Dringlichkeit werden darin hervorgehoben.

Die Erstellung des NEP wird begleitet von einer frühzeitigen, transparenten und aktiven Einbeziehung der breiten Öffentlichkeit. Dieses Verfahren wird Konsultation genannt und soll dazu führen, dass interessierte Gruppen ein besseres Verständnis für die Zusammenhänge zwischen den energiepolitischen Zielen und ihren Auswirkungen auf die Energieinfrastruktur entwickeln. Außerdem trägt externes Fachwissen thematisch involvierter Gruppen, wie zum Beispiel von Fachverbänden, wissenschaftlichen Institutionen oder Bürgerinitiativen, wesentlich dazu bei, die Qualität des Netzentwicklungsplanes zu verbessern. Letztlich soll durch die Mitwirkung der Öffentlichkeit auch mehr Akzeptanz für den Ausbau des Übertragungsnetzes erreicht werden.

Der NEP wird als Entwurf für einen Bundesbedarfsplan von der BNetzA mindestens alle drei Jahre an die Bundesregierung übermittelt. Der Bundesbedarfsplan wird dann von der Bundesregierung beschlossen und dem Bundestag zur Genehmigung vorgelegt. Wird der Plan vom Bundestag beschlossen, ist damit der konkrete Bedarf an Netzausbau- und Optimierungsmaßnahmen offiziell festgestellt und kann umgesetzt werden.

Arbeitsauftrag

  1. Lies den Infotext aufmerksam und achte dabei auf wichtige Eckdaten, die für die Entstehung eines gemeinsamen europäischen bzw. nationalen Energiemarktes wichtig waren.
  2. Notiere stichwortartig jeden Beschluss bzw. jedes Gesetz in den entsprechenden Textkärtchen.
  3. Ordne die Textkärtchen an der Zeitskala an. Platziere Beschlüsse auf europäischer Ebene oberhalb und Gesetze auf nationaler Ebene unterhalb der Skala.
  4. Verbinde Beschlüsse auf europäischer Ebene mit den zugehörigen Gesetzesänderungen in Deutschland mit Pfeilen.
  5. Die EU und ihre Mitglieder folgen einem Leitbild mit demokratischen Grundwerten, weshalb an bestimmten Stellen politischer Entscheidungsprozesse öffentliche Debatten geführt werden. Kennzeichne Beschlüsse, bei denen die öffentliche Beteiligung eine Rolle spielt oder spielte, mit einem Diskussions-Symbol (Button Sprechblase). Kannst du erklären, warum gerade an diesen Stellen die öffentliche Meinung gefragt ist oder war? Welche Personengruppen werden bzw. wurden eigentlich angesprochen und warum gerade diese?
  6. Beschreibe anhand des Beispiels der europäischen Energiepolitik den Prozess, in dem europäische Beschlüsse in nationales Recht umgesetzt werden und seine Teilschritte.

Arbeitsfläche

europäisch
national
Pfeile
Diskussion